Der warme Klang der Glocken ist live
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Volles Geläut:
Die Glocken der Versöhnungskirche Predigt vom 30.08.2015, anläßlich des Festgottesdienstes zum Kirchenjubiläum
Teil 1: Anke Bender (zur Glocke g`)
Liebe Gemeinde,
„Versöhnung“, der Name unserer Kirche wird für mich in ihrem Innenraum spürbar- ganz ohne Worte. Die warmen Farben der handgemachten, einmaleigen Glasbausteine leuchten den dunklen Schieferboden und den Innenraum aus. Besonders bei Sonnenschein entwickeln sie eine besondere Atmosphäre. Wer sich hierher begibt und sich in Ruhe darauf einlässt, spürt mehr als nur die Wärme der Farben. Viele Menschen sagen unabhängig voneinander: „ Wir spüren Frieden.“ Unausgesprochen wirkt der Name unserer Kirche.
Pfarrer Gustav Adolph Vetter ging es damals bei der Namensgebung um das ausgesprochene und gelebte Wort. Auch an den Tagen, an denen nicht gepredigt wurde, sollte die Gemeinde das Wort von der Versöhnung hören. Jeden Tag läuten bis heute die Glocken. Jede hat eine Inschrift mit einem biblischen Versöhnungswort. Die Glocke mit dem Ton „G“ erhielt die Inschrift: „Er - Gott - hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung“ (2.Korinther 5,19). Ihr Klang erinnert uns jeden Tag an den Grund unseres Lebens, an Jesus Christus, in dem sich Gott mit uns versöhnt hat. Aus diesem Grund lebend war es Pfarrer Vetter wichtig, Versöhnung zu leben. Er selbst stammte aus Posen und erlebte, wie die, die hier geboren waren und lebten, misstrauisch und mit Vorbehalten behaftet die Ankunft der Flüchtlinge aus dem Osten beobachteten. Gustav Adolph Vetters Herzensanliegen war es, Brücken zwischen den Einheimischen und den Neuankömmlingen zu bauen. Der Name der Kirche war für das Gemeindeleben Programm.
Zugleich sollte die Gemeinde nicht nur auf ihre Situation sehen. Der Bau der Mauer in Berlin beeinflusste das Denken Pfarrer Vetters nachhaltig. Er entschied, dass an der West- und Südseite unserer Kirche eine Mauer gebaut wurde. Sie sollte den Mauerbau in Berlin hier sichtbar machen und mit ihrer Existenz die Menschen mahnen, diese Trennung nicht hinzunehmen, sondern die Hoffnung zu pflegen, dass Versöhnung diese Mauer eines Tages überwinden würde.
Wir hören nun die Glocke mit dem Ton „G“, die die Inschrift trägt: „Er(Gott)hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.“
Teil 2: Hauke Faust (zur Glocke e`)
„Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit sich selbst“
- Was bedeutet für mich Versöhnung?
„Wann werden wir uns wiedersehen?“ fragt Klara Franz, als sie sich im winterlichen Assisi trennen müssen. „Im Sommer, wenn die Rosen blühen“. Und als sich Klara schwermütig auf den Weg macht, fangen die verschneiten Bäume an zu blühen. Und Dorothee Sölles Fazit: Etwas hat sich ereignet, unvermutet, unverfügbar, unverdient. Sie sind gar nicht getrennt. Sie werden sich wiedersehen. Gnade hat sich ereignet.
Gnade ist Glück. Gnade ist das Glück, nicht mehr getrennt zu sein. Nicht mehr getrennt zu sein, heißt, bei Gott zu sein. Wir erfahren es oft anders: als entfremdet vom Ursprung, als getrennt von anderen, als gespalten in uns selbst. Unsere Wünsche als fremdgesteuert und erregt von den Bedürfnissen der Wirtschaft und von der Werbung für Konsumprodukte. Die Tradition sagt dazu, wir sind abhängig von Mächten und Gewalten und stehen unter der Sünde.
Religionen haben dann immer gefragt: Gibt es eine Befreiung daraus? Gibt es einen Übergang von Trennung und Leere zu Sinn, zu Glück, zur Praxis? Gibt es eine unverstellte Freude am Leben? Gibt es eine Wiedervereinigung des Lebendigen mit dem Ursprung des Lebens? Mit Gott, der die Liebe ist und der Gerechtigkeit für alle will? Aber wie kommt dann diese Gerechtigkeit über mich und in diese Welt?
Die Bibel sagt, dass ein solcher Übergang möglich ist. Die Bibel sagt, dass Gnade über uns Menschen geschieht. Und sie zeigt verschiedene Bilder für einen solchen Übergang, die aus der antiken Welt stammen: Freispruch, Loskauf, Reinigung, Heilung. Vielleicht gibt es heute neue Bilder dafür: Veränderung des Herzens oder Überwältigtsein von Schönheit.
Paulus sagt, dass wir „in Christus“ zu dieser Umkehr fähig sind. Das ist eine heute schwer zu verstehende Formel. Sie bedeutet vielleicht: Der Christus Jesus hat aus Gott gelebt. Mit ihm ist ein neues Leben in die Welt gekommen, ein Leben in unverstellter Gemeinschaft, ein Leben, das nicht länger vom Ursprung des Lebens getrennt ist, sondern im Vertrauen darauf ausgerichtet ist, „Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit sich selbst“, so ist der Titel der zweiten Glocke, die wir gleich hören werden. Christus will uns in dieses Leben mit hineinziehen, uns an ihm teilhaben lassen. Er will uns mit seiner Lebensfreude anstecken und begeistern. Wer zu Jesus und zu seiner Lebensart gehört, wird für fähig und würdig gehalten, seine Fähigkeit dem Leben, dem Frieden und der Versöhnung zur Verfügung zu stellen. Er wird frei von Gleichgültigkeit, von Egoismus und Zerstörung.
Er erlebt Freude. Die Freude, nicht mehr getrennt zu sein. Euch wird diese Freude versprochen; denn weil ihr zu Christus gehört, steht ihr nicht länger unter der Gewalt der Sünde sondern unter der Gnade.
Teil 3: Klaus Andrees (zu den Glocken a`und c`)
Die dritte Glocke: „Lasst euch Versöhnen mit Gott“ oder Wo habe ich Versöhnung erlebt oder gar gestiftet?
Viele von Ihnen wissen, dass die Ordinierten unserer Gemeinde, also Frau Bender, Herr Faust und ich bei der Notfallseelsorge unseres Kirchenkreises aktiv mitarbeiten. Über diesen Dienst hinaus bin ich in verschiedenen Teams der Nachsorge von Hinterbliebenen nach Großkatastrophen eingebunden. So auch bei der Begleitung Hinterbliebener, die zum 10. Jahrestag des Tsunami nach Thailand geflogen sind. Meine Aufgabe war, die Menschen, die sich zum ersten mal nach 10 Jahren dazu in der Lage sahen, an den Unglücksort zu begleiten.
Am Heiligen Abend des letzten Jahres fuhr ich mit einem Ehepaar, das ihren Sohn und dessen Freundin verloren hatten, zu einem bestimmten Hotel, an einen bestimmten Strand in Khao Lak. Auf dem Weg dorthin kauften wir noch etliche Rosen. Am Strand angekommen gingen wir etwas abseits der dort sich sonnenden Touristen ans Wasser. Ich blieb am Meeressaum stehen. Die beiden gingen ohne zu zögern in ihrer normalen Kleidung bis über die Hüfte ins Wasser. Dort standen sie eine Weile, warfen in großer Ruhe die Rosen ins Meer. Nach geraumer Zeit kam der Vater zurück und stellte sich schweigend neben mich. Etliche Minuten später sah ich, wie durch die Mutter ein merklicher Ruck geht und sie sich umdreht. Sehr zügig kam sie aus dem Wasser direkt auf mich zu. Sie stellte sich mir direkt gegenüber und sagte: „Jetzt weiß ich was mein Sohn gemeint hat, wenn er vom Paradies sprach, in dem er hier sei. Seine letzten Eindrücke waren also diese Bilder – für ihn das Paradies auf Erden. Ich habe meinen Frieden gemacht – auch mit Gott“.
Bei der Begleitung der Hinterbliebenen nach dem schrecklichen Flugzeugabsturz in den Alpen sagte mir in einer Kleingruppe ein Vater, der seine Tochter verloren hat: „Ich kann nicht mehr beten. Mit dem da oben habe ich zur Zeit ganz massive Probleme“. Ich antwortete ihm, dass das Beten von anderen, auch von mir übernommen wird. Für ihn, seine Familie und seine verstorbene Tochter. Ein etwas verblüffter, aber dankbarer Blick kam zu mir. Einige Wochen später, als wir Notfallseelsorger die Familien bei der Ankunft ihrer Verstorbenen am Düsseldorfer Flughafen begleitet haben, war ich wieder bei diesem Vater, und seinen beiden Töchtern. Wir standen, nachdem sie den Sarg gestreichelt hatten, Blumen und Fotos abgelegt hatten eine Weile schweigend, uns an den Händen haltend um den Sarg. Der Vater löste dann den Kreis auf, ging zu seinen Töchtern umarmte sie herzlich und sprach leise mit ihnen. Danach kam er zu mir, umarmte mich herzlich und sagte: „Das mit dem Beten brauchst du nicht mehr zu machen – ich kann wieder mit dem da oben reden“.
Das Fundament der drei eben beschriebenen Glocken ist die vierte Glocke: „Lobet den Herrn alle Heiden, preiset ihn alle Völker“ Sie hat den tiefsten Klang, als Grundlage für alles andere. Welch eine Botschaft, die von dieser Glocke ausgeht.